Hooligan-Reisli
London, Amsterdam, Brüssel, Antwerpen und Freiburg im Breisgau
Eine Delegation der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) hat Anfang August mit Spezialisten vom Bundesamt für Polizei auf Kosten der Steuerzahler eine Informationsreise zum Thema Hooliganismus unternommen. Ziel der Reise nach London, Amsterdam, Brüssel, Antwerpen und Freiburg im Breisgau war es, sich ein Bild über die Situation und die Lösungsansätze im Ausland zu machen.
Am 11. August 2009 wurde H. P. Gass von der Basellandschaftlichen Zeitung zitiert: Nur 30 Polizisten in kurzärmligen Hemden vor dem Stadion, Fans, die geordnet und von Stewards begleitet zu ihren Plätzen laufen, keine Pyro-Fackeln, keine Knallpetarden, keine Vermummten und kein Alkoholgelage während des Spiels. Wahrscheinlich träumt der Basler Polizeidirektor Hanspeter Gass von solch idyllischen Zuständen vor und im St.Jakob-Park. Seit Freitagabend weiss er, dass diese in Antwerpen Realität sind. Dort hat der Regierungsrat dem Spiel der höchsten belgischen Liga Germinal Beerschot Antwerpen gegen Standard Lüttich beigewohnt. «Es herrschte eine tolle, emotionale Stimmung in der Arena», berichtet Gass.
Zehn Tage später wurden in Zürich die Erkenntnisse der Reise präsentiert, H. P. Gass formulierte in einer Medienmitteilung gleich noch einen Massnahmekatalog.
Ebenfalls am 21. August 2009 fand in Belgien das wallonische Derby Lüttich - Charleroi statt. Wie von Gass über das «Hochrisikospiel» des Aufsteigers Germinal Beerschot Antwerpen gegen Standard Lüttich, vergleichbar mit einem Spiel in Vaduz letzte Saison, berichtet wurde, sind auf den Bildern der Ultras Lüttich tatsächlich hemdsärmlige Beamte erkennbar, bei der Helikopterbesatzung nämlich. Allerdings gab es glücklicherweise auch Pyro.
Eine sehr billige Masche der Polizeidirektorenkonferenz: Im Ausland werden Spiele von zwei langweiligen Provinzklubs besucht und die Zustände als für Risikospiele normal dargestellt.
Auch die Torpediereung der Projekte «2te Chance» welche seit kurzem von diversen SFL-Vereinen angeboten und durch die öffentliche Hand mitfinanziert werden, ist nicht gerade intelligent.
Eine Woche, nachdem in Zürich präsentiert wurde, dass in England alle Probleme gelöst seien, haben Anhänger von West Ham anlässlich der Begegnung im Carling Cup gegen Millwall während des Spiels den Rasen gestürmt und die Räubergeschichten von Zürich ins Märchenland verwiesen.
Das hinderte die St. Gallische Polizeidirektorin Karin Keller-Suter selbstverständlich nicht daran, mochmals eine Woche später dem Anzeiger zu erklären, dass in England alle Probleme vom Tisch seien.
Als Antwort erhielt Karin Keller-Suter am 12. September einen Brief in Form eines Choreos präsentiert: Karin Keller-Suter, Auf dem hohen Ross, 1312 Wil - Liebe Karin (Liebe durchgestrichen), In letzter Zeit durften wir über die Medien viel von dir erfahren. Es hilft aber nicht, wenn Planlose Pläne erstellen um sich zu profilieren. Nur schon die Idee den gescheiterten Fanpass wieder aufzunehmen, zeugt von deiner schockierenden Unkenntnis. Verzichte in Zukunft auf billigen Populismus.
Karin Keller-Suter liess sich aber nicht beeindrucken und schwärmte am 2. November 2009 in der Sendung «Sport Lounge» immer noch von den friedlichen Zuständen in ganz Resteuropa. Am gleichen Tag fand in der zweiten Bundesliga das Spiel Hansa Rostock gegen St. Pauli statt. Aus einem Bericht von Spiegel online: «Unsere Strategie der Fantrennung ist komplett aufgegangen», so die Bilanz der Rostocker Polizeisprecherin. Insgesamt waren 1500 Beamte im Einsatz, laut Polizei wurden 23 Hansa-Fans wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch in Gewahrsam genommen und 27 Polizeibeamte leicht verletzt. Das Fazit der Polizei: «Der Abend verlief erstaunlich störungsfrei.»
Auch der Berner Polizeidirektor Hans-Jürg Käser zeigte sich unverbesserlich und erzählte dem Bieler Tagblatt den gleichen Mist, der schon von H. P. Gass in der basellandschaftlichen Zeitung zum besten gegeben wurde.
Am 13. November 2009 war es dann soweit: Was von den Reisli-Teilnehmern schon x-fach in den Medien zum Besten gegeben wurde, gelangte zusammen mit einer Medienmitteilung als «Policy gegen Gewalt im Sport» an die Öffentlichkeit. Neben einer Fan-Card sollen auch alkohol- und pyrofreie Extrazüge und ähnlicher Schabernack Standard werden.
- Basellandschaftlichen Zeitung vom 11. August 2009
- Medienmitteilung Sicherheitsdepartement BS vom 21. August 2009
- Bilder Lüttich - Charleroi vom 21. August 2009
- NZZ vom 22. August 2009
- Basellandschaftlichen Zeitung vom 22. August 2009
- Interview mit Peter Hänggi
- Interview mit Karin Keller-Suter
- Spiegel online vom 3. November 2009
- Bieler Tagblatt vom 4. November 2009
- Medienmitteilung KKJPD vom 13. November 2009
- Policy gegen Gewalt im Sport