Änderung des Hooligan-Konkordats

Das Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen soll verschärft werden

Die Bagatelldelikte «Tätlichkeit» und «Hinderung einer Amtshandlung» sollen in den Katalog aufgenommen werden, ebenso soll die anlasslose Durchsuchung von Personen durch Private erlaubt werden (Durchsuchung bedeutet, dass sich betroffene Personen nackt ausziehen müssen). Rayonverbote sollen neu schweizweit für 2 Jahre gelten, und Meldeauflagen sollen ohne vorhergehende Verletzung eines Rayonverbots möglich werden. Zudem soll eine Bewilligungspflicht für Sportveranstaltungen eingeführt werden.

Die Änderung des Konkordats wird damit begründet, dass Gewalt und Kosten an Sportveranstaltungen ständig steigen würden. Einen Beweis bleibt die Polizeidirektorenkonferenz jedoch schuldig. Es gibt aber im Gegensatz dazu Quellen, welche von einem Rückgang der Gewalt sprechen. Die Anzahl Einträge in der Datenbank HOOGAN ist stabil oder gar rückläufig. Die stetig steigenden Zuschauerzahlen lassen auch nicht auf ein Sicherheitsproblem an Sportveranstaltungen schliessen. Im zweiten Halbjahr 2011 etwa wurde im Fussball wieder eine Rekord-Zuschauerzahl verzeichnet, obwohl der publikumskräftige Verein St. Gallen abgestiegen ist und Xamax einen Besucherrückgang verzeichnet hat - nicht wegen einer Gewaltproblematik, sondern wegen Querelen um den Präsidenten. Angesprochene Kosten sind einzig Kosten für Polizeieinsätze, wobei die 20 bis 30 Millionen Franken jährlich, welche z. B. für eine Fussballsaison genannt werden, nicht mit der Statistik von Fedpol korrespondieren, welche knapp 12,000 Einsatzstunden ausweist, was rund 12 Millionen Franken jährlich ausmacht. Die angeblich «immensen» Kosten von 20 Millionen Franken jährlich machen pro Einwohner der Schweiz im Monat 20 Rappen aus.

Alle Vorschläge des Konzepts «Policy der KKJPD gegen Gewalt im Sport» von 2009, welches vom Runden Tisch abgelehnt wurde, sollen umgesetzt werden. Fancard, Alkohol-Konsumationsverbot auf der Anreise etc. werden aber im Konkordat nicht explizit aufgeführt. Vielmehr soll dies mit der Bewilligungspflicht von Sportveranstaltungen durchgeboxt werden. Einerseits ist dies eine unseriöse Mogelpackung, andererseits hat der mit ausgewiesenen Experten ausgestattete runde Tisch gute Gründe gehabt, diese Massnahmen abzulehnen.

In seiner Vernehmlassungsantwort lehnt der Verein Referendum BWIS insbesondere die Aufnahme der Bagatelldelikte «Tätlichkeit» und «Hinderung einer Amtshandlung» in den Katalog ab, ebenso die anlasslose Durchsuchung von Personen durch Private. Anstelle der Verlängerung von Rayonverboten und dem direkten Aussprechen von Meldeauflagen verlangt der Verein Referendum BWIS, die Qualität von Massnahmeanordnungen zu steigern. Viele Beschwerden gegen Rayonverbote werden von Gerichten gutgeheissen. Gegen noch mehr ungerechtfertigte Massnahmen wird aber kein Rechtsmittel ergriffen, weil Betroffene die hohen Kosten von mehreren Tausend Franken für eine richterliche überprüfung scheuen.

Wenige Parteien reichten kritische Vernehmlassungsantworten ein. Die SP Schweiz ist leider grundsätzlich positiv eingestellt und begründet dies mit «schweren Sachbeschädigungen in den Zügen der SBB», obwohl die SBB bei Schadensmeldungen massiv übertreiben (siehe «Der Schaden ist angedichtet», kritisiert aber immerhin, dass «Hinderung einer Amtshandlung» in den Deliktkatalog aufgenommen werden soll sowie anlaslosse Durchsuchungen. Die Christlich-soziale Partei der Schweiz lehnt die Erweiterung des Deliktkatalogs ab, ebenso anlasslose Durchsuchungen. Die Bewilligungspflicht für Sportanlässe wird gutgeheissen, allerdings würden Bestimmungen über das Reiseverhalten der Gästefans zu weit gehen.

Bei den Vernehmlassungsantworten der Kantone fallen diejenigen von Basel-Stadt und Luzern auf. In Basel-Stadt konnte der Grosse Rat Einwände anbringen. Er bemängelte, dass der Ausdruck «im Vorfeld oder im Nachgang einer Sportveranstaltung» zu wenig genau umschrieben sei, dass Anstiftung zu einer Tätlichkeit ist nicht möglich sei, und dass die verdachtsunabhängige Durchsuchung von Personen zu weit gehe. Gebrannte Kinder scheuen das Feuer, so der Kanton Luzern. Obwohl er das Konkordat gutheisst, kritisiert er z. B. die nicht näher umschriebenen Zutrittskontrollen, die Delegation der Durchsuchung an Private aus Haftungsgründen sowie die neue Pflicht von durch Rayonverbot Betroffene, sich selbst über die Rayons informieren zu müssen. Abschliessend schreibt er wörtlich: «Wie die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Schaffung des Konkordats über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen zeigen, sind allfällige Referenden gegen Beitrittsbeschlüsse der Kantone beziehungsweise Beschwerden beim Bundesgericht nicht auszuschliessen. Es kann und darf nicht sein, dass dann wiederum die betroffenen Kantone in den Verfahren vor Bundesgericht selber die rechtlichen Ausführungen zu heiklen Punkten des Konkordats erarbeiten müssen. Vielmehr erachten wir es als absolut notwendig, dass sämtliche heiklen Punkte durch die KKJPD vor der Ratifizierung vertieft abgeklärt werden.»

Ebenfalls ablehnend ist die Stellungnahme von Fanarbeit Schweiz, welche mit Hinweis auf mehrere Untersuchungen darlegt, dass keine Zunahme der Gewalt im Umfeld von Sportveranstaltungen zu beobachten sei, die Stellungnahme der Demokratischen Juristen sowie die Stellungnahmen von Ostkurve Bern / Gäubschwarzsüchtig und United Supporters Luzern. An einem Symposium zu Fanfragen und Fanarbeit vom 26. Januar 2012 hat auch der ehemalige Kommandant der Kantonspolizei Basel-Stadt, Markus Mohler, verfassungsrechtliche Bedenken geäussert.

Am 2. Februar 2012 wurde von der KKJPD der Bericht zur Vernemlassung sowie die definitive Änderung des Konkordats vorgestellt. Als einziges Zugeständnis an die kritischen Stimmen wurde die verdachtsunabhängige Durchsuchung von Personen gekippt, im Gegenzug sind jetzt Rayonverbote bis zu drei Jahren möglich, und die Dauer von Meldeauflagen soll bei einem Verstoss verdoppelt werden. Ebenfalls neu wurden die Bewilligungspflicht und Auflagen im Gesetzestext konkretisiert.